Kalte Probe ist das Gegenstück zur Generalprobe oder zum vollständigen Probedurchlauf; dabei wird keine Technologie eingesetzt und sie ist eher ›tot‹, denn ›live‹, da die toten Figuren zu Leben erweckt werden! Cold Rehersal von Constanze Ruhm und Christine Lang präsentiert den Beginn einer neuen Serie, die auf ›X Characters‹ folgt. Sie arrangieren darin die Serie als urkomischen Haufen von Leichnamen der Filmgeschichte, und indem sie dies tun, befassen sie sich mit realen Produktionsbedingungen. Ruhm & Lang schicken den einst herausragenden Regisseur Hans Lucas (natürlich Jean-Luc Godard) als verärgerten Müllmann, der im Mist herumwühlt (also in den Figuren, den Sets, seinem vergangenen Ruhm), auf die Bühne und in die Geschichte, bis zum bitteren Ende —seinen Tod; während er noch hofft, dass seine Zeit wiederkommen werde, haben sie ihn längst an einem Komplott beteiligt, der ihn sein Leben kosten wird: ›Aber es gibt keinen Tod, nur Mord!‹ (Hans' Mutter). Cold Rehersal ist daher auch eine feministische Fantasie darüber, Rache an dem männlichen Regisseur zu nehmen, der seine Frauen korrekt als Charaktere projiziert, und wenn die Liebe misslingt, sogar glücklicher ist als zuvor. Hier übernimmt die (weibliche) Regie die Kontrolle; die Schauspielerinnen diskutieren über Subjekt-Objekt-Beziehungen und mischen sich als narrative Konstellation in die Triade, diese identitätsfördernde Maschine, die sie höchstwahrscheinlich zerstören.
Wie in vergangenen Werken werden auch hier rekursive Prozesse eingesetzt (neu ist das zentrale Element des Punktes - wie immer als Signifikant und Signifikat, hier zum Beispiel als Plot-Punkt oder als ironischer Witz, zu dem Hans bereits von Anfang an herabgsetzt wird), währenddessen der Handlungsablauf sich nicht einfach als Projektion auf dem Bildschirm entfaltet, sondern stattdessen das Arrangement und die Beziehungen alle so ernstlich miteinander verwickelt werden, dass die Ereignisse, die Rezeption (hier natürlich auch wörtlich genommen), und das Filmscreening sich so intensiv miteinander verweben, dass die Charaktere auf und in diesem Treppen-Plissé die Geschichte ins Rollen bringen (stolpernd, fallend, kichernd), sich in eine Leere zurückziehen, ihre Einsätze verpassen, eingeschlossen werden, bis sie sich schließlich freischaufeln und damit gleichzeitig auch ihr eigenes Grab freilegen.
Cold Rehersal ist daher eine Filmanalyse (oder eine Analyse als Film) wie auch eine Filmunterhaltung, eine Komödie und eine Liebesgeschichte, eine Schauspielstudie und eine Revolte der Charaktere, eine Hommage an das Comeback und daher ein weitere aufregendes Serien-Arrangement einiger der ungewöhnlichsten und intelligentesten Filmemacherinne von heute.
Nanna Heidenreich